Bei Sinnen.

Das mit dem Tod, der Trauer und dem Gleichgewicht.

Bei Sinnen - Das mit dem Tod, der Trauer und dem Gleichgewicht.

Es gibt so viel Schönes da draußen. Aber auch so viel Unschönes. Einiges sehen wir, einiges hören wir, einiges nicht. Sowohl von den schönen Dingen. Als auch von den nicht so schönen Dingen.

 

Um wahrzunehmen, was um uns herum passiert, haben wir unsere Sinne. Wie viele es tatsächlich sind, ist etwas umstritten. Fünf sind es mindestens. Eher sechs. Vielleicht gibt es auch noch ein paar weitere. Manche nutzen wir mehr. Manche nutzen wir weniger. Manchmal können wir es uns aussuchen. Manchmal nicht. Ab und an haben wir sogar den siebten Sinn. Tun sinnvolles oder sinnloses. Dann sind wir meist nicht so ganz bei Sinnen.

 

Sinnlos

Wenn ein Sinnesorgan mal nicht wie gewohnt funktioniert, dann sind die anderen Sinne umso mehr gefragt. Nachts zum Beispiel, wenn es dunkel ist und wir nicht richtig sehen können. Dann müssen wir unsere Ohren umso mehr spitzen, uns vorsichtiger herantasten. Wenn wir schwanken und aus dem Gleichgewicht kommen, dann sind wir froh um unsere Augen, die uns helfen zurück in Balance zu finden.

 

Manchmal ist es aber auch ganz schön mal nicht so ganz bei Sinnen zu sein, die Augen zu schließen und nicht sehen zu müssen. Sich die Ohren zuzuhalten oder wegzuhören. Sich die Nase zuzuhalten. Das schützt uns vor dem „zu viel“. Unsere Sinne sind sowieso ganz schön beansprucht. Unbewusst meist. 

 

Der Gleichgewichtssinn ist der wohl sechste Sinn. Er hilft uns dabei uns zu orientieren, unsere Körperbewegungen an unser Tun anzupassen. Damit wir nicht umfallen, umkippen. Unterschiedliche Funktionen unseres Körpers sind für unser Gleichgewicht zuständig. Allem voran das Gleichgewichtsorgan, das im Ohr liegt und von dort aus unsere Balance steuert. Es ist angewiesen auf das Zusammenspiel mit den anderen Sinnen. Was wir mit den Augen wahrnehmen, mit unserem Körper ertasten oder mit unserer Haut erspüren zum Beispiel.

 

Wenn wir uns ganz schnell um die eigene Achse im Kreis drehen und dann versuchen geradeaus zu laufen, funktioniert das meist nicht so richtig. Unsere Sinne sind verwirrt und überfordert. Die Informationen, die durch die unterschiedlichen Helfer an unser Gehirn gesendet werden, sind durcheinander, kommen nicht mit, mit all den zu verarbeitenden Eindrücken. Wir haben uns zu schnell gedreht. Die Welt um uns herum hat sich zu schnell gedreht. Wir kommen aus dem Gleichgewicht.

 

Das ist ein bisschen wie mit dem Tod. Anders, aber ähnlich. Der Tod verwirrt uns. Er macht uns orientierungslos. Er lässt uns selbst und die Welt um uns herum zu schnell drehen. Bringt uns aus dem Gleichgewicht. Im Innen und im Außen. Wir trauen unseren Augen nicht. Wir trauen unseren Ohren nicht. Wir trauen unseren Sinnen nicht. Wir fühlen uns ohne Sinn und Verstand.

 

Sinnlich

Aber wir können unseren Sinnen immer wieder auf die Sprünge helfen. Sie wieder stärken. Sie schärfen. Sie auf das lenken, was uns gut tut. Um wieder auf sie zu vertrauen. Auf uns zu vertrauen. Um uns selbst in unserer Trauer wieder ein Stückchen mehr ins Gleichgewicht zu bringen.

 

Der Wald und die Natur ist eine solche Umgebung, die unseren Sinnen gut tut. Wir sehen die Farben der Natur, nehmen die unterschiedlichen Grün- und die Brauntöne wahr. Wir entdecken Bekanntes und Unbekanntes auf dem Waldboden, auf den Wiesen und in den Hecken. Wir spüren und sehen Licht und Schatten. Wir hören Vögel und Insekten, das Rauschen des Baches, den Wind in den Bäumen. Wir riechen die Waldluft, den Waldboden, die blühenden Sträucher.

 

In der Natur helfen uns unsere Sinne dabei für einen Moment rauszukommen aus unseren Gedanken. Raus aus unserem Alltag. Raus aus unserer Trauer. Dann sind wir mitten drin im Hier und Jetzt, in diesem Moment, im Wald und in der Natur. Je mehr wir uns bewusst unseren Sinnen zuwenden, desto mehr nehmen wir wahr. Und desto länger sind wir in diesem Moment. Und desto länger sind die Pausen von der Trauer. Wir spüren wieder ein bisschen von diesem Glück, das uns umgibt. Wir können es wieder wahrnehmen, wenn wir genauer hinschauen, hinhören, hinfühlen.

 

Und genau diese Pausen von der Trauer brauchen wir. Kein Mensch ist in der Lage permanente Trauer auszuhalten. Wir brauchen die Momente, die uns rausholen aus der Trauer. Die uns rauskatapultieren aus unserem Alltag. Wir brauchen die Lichtblicke, die uns stärken für die Dunkelheit. Wir brauchen die schönen Momente, um gestärkt die unschönen Momente auszuhalten. Wir brauchen wieder mehr Gleichgewicht. Wir brauchen mehr Schönes in all dem Unschönen.

 

Der Wald und die Natur unterstützen uns dabei diese schönen Momente leichter zu spüren. Denn die Eindrücke, die uns in der Natur und im Wald begegnen, lösen in uns eine gewisse Faszination aus. Ganz unbewusst. Wir sind aufmerksamer. Ohne uns dafür anstrengen zu müssen. Unsere Sinne werden geschärft. Ganz natürlich. Viele unserer Sinne werden gleichzeitig angesprochen. Das macht uns glücklich. Denn wenn möglichst all unsere Sinne gleichzeitig angesprochen werden, fühlen wir uns besonders glücklich und wohl.

 

Glückliche Momente und wohlige Gefühle brauchen wir immer wieder in unserer Trauer. Für unser Gleichgewicht. Wenn wir es schaffen unsere Sinne immer mal wieder bewusst auf die schönen und faszinierenden Dinge, die uns umgeben, zu lenken, dann werden wir gestärkt. Für all die Traurigkeit, all die schwierigen Momente und für die Trauer in uns.

 

Denn letztlich sind es auch unsere Sinne, die uns prägen. Unser Verhalten. Unsere Haltung. Unser Bild von unserem Außen und unserem Innen. Sie bestimmen was wir wahrnehmen und was nicht. Wir können bestimmen was sie wahrnehmen.

 

Wir sollten unseren Sinnen also immer mal wieder ein bisschen mehr Beachtung schenken. Wir sollten sie bewusster schulen. Sie wahrnehmen. Ab und an. Ohne Stress. Lasst uns unterwegs mal wieder auf die Vögel hören, die über uns kreisen. Lasst uns spüren, was sie in uns auslösen. Lasst uns die Schönheit wahrnehmen, die uns umgibt. Lasst uns die Düfte riechen, die wohlige Erinnerungen in uns hervorrufen. Denn es liegt an uns, ob wir sie wahrnehmen und ob wir uns positiv von ihnen berühren lassen.

 

Es sind unsere Sinne, die unsere Sicht auf die Welt beeinflussen. Es sind unsere Sinne, die auch unsere Trauer ein Stück weit beeinflussen. Und wir sind es, die unsere Sinne beeinflussen können. Wir sind es, die unsere eigene Sicht auf die Welt beeinflussen können.

 

Sind wir es auch, die wir unsere Trauer ein Stück weit beeinflussen können? Ich glaube schon. Was glaubt ihr? 

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