Ohne Worte.

Tröstliches und nicht so Tröstliches in der Trauer

Ohne Worte - Tröstliches und nicht so tröstliches in der Trauer.

Wir ergreifen das Wort. Wir kommen zu Wort. Wir nehmen uns beim Wort. Oder glauben uns kein Wort. Manchmal sind wir wortkarg. Manchmal wortgewandt. Wir wechseln Worte. Wir halten unser Wort. Ehrenwort! Oder wir brechen es. Mal melden wir uns zu Wort. Mal legen wir ein gutes Wort ein. Mal verlieren wir ein Wort. Mal keins. Und manchmal fehlen sie uns einfach - diese Worte. 

 

Kluge Worte

Und dann gibt es da diese klugen Worte, die sich zwischendurch einfach einschleichen in unsere Unterhaltungen. Diese Redewendungen und Floskeln, die wir uns dann und wann sagen hören. Sie sind einfach da. Mitten zwischen unseren Worten. Mal passen sie mehr. Mal weniger. Manchmal verdeutlichen sie das Gesagte ganz gut. Manchmal eher nicht. Und manchmal bringen wir sie auch ganz schön durcheinander. Dann müssen wir vielleicht darüber schmunzeln. Und manchmal haben sie einen faden Beigeschmack. Dann lassen sie uns eher zusammenfahren. 

 

Wir sagen "Passt schon" oder "Nee, alles gut", vielleicht um uns selbst oder unser Gegenüber zu beruhigen. Wir sagen "Stell dich nicht so an" oder "Da musst du durch", vielleicht um uns selbst oder unserem Gegenüber Mut zu zusprechen, um zu verdeutlichen, dass an der Situation nichts mehr zu ändern ist. Wir sagen "Tja, so ist das Leben" und "Das Leben ist kein Ponyhof", vielleicht um schwierige Situationen herunterzuspielen. Bei "Jedem das Seine" zucke ich innerlich zusammen. Der fade Beigeschmack zwischen diesen Worten lässt mich zusammenfahren. Wir Rheinländer sagen stattdessen ganz gerne „Jede Jeck is anders“. Andere Worte, anderer Klang, ähnlicher Sinn.

 

Wir haben hier das rheinische oder "Et kölsche Jrundjesetz". Das sind ebenfalls sehr kluge Lebensweisheiten, Lebensmottos, Floskeln, die sich ganz wunderbar in unseren alltäglichen Gesprächen unterbringen lassen. „Et es wie et es.“ Da können wir jetzt eh nichts dran ändern. Siehe den Tatsachen ins Auge. Oder: „Et kütt wie et kütt.“ Es kommt, wie es kommt. Hab keine Angst vor der Zukunft. Oder: „Et hätt noch immer jot jejange.“ Das habe ich auch oft gesagt: Es wird schon gut gehen. Um gute Stimmung zu verbreiten. Zu motivieren. Das wird schon wieder. Wird schon klappen. Kriegen wir hin. 

 

Bis es dann eben mal nicht gut gegangen ist. Bis ich nicht mehr sagen konnte: Wird schon gut werden. Es wurde nicht mehr gut. Meine Mutter ist trotz all dieser positiven Lebensweisheiten gestorben. Und das letzte, was ich dann hören wollte, waren genau diese vermeintlich klugen Worte, diese Floskeln: „Alles wird gut.“, „Die Zeit heilt alle Wunden.“, „Vielleicht war es besser so.“...

 

Ich bin vorsichtiger geworden mit diesen klugen Sprüchen. Sie helfen nicht immer. Sie können manchmal sogar sehr verletzen. Das Problem an diesen Floskeln ist, dass sie uns so schnell über die Lippen kommen. Bevor man sich selbst hört, sind sie schon draußen. Sie gehören zu unserer Sprache dazu. Wir hinterfragen sie nicht weiter. Manche sind schön. Manche sind doof. Manche können helfen etwas auszudrücken. „Herzlichen Glückwunsch“ sagen wir halt, wenn jemand Geburtstag hat. „Herzliches Beileid“ sagen wir halt, wenn jemand gestorben ist.

 

Ohne Worte

Und so passiert es gerade in Situationen, in denen wir verunsichert sind und nicht wissen, was wir sagen sollen, dass wir bewusst oder auch unbewusst auf diese Floskeln und Redewendungen zurückgreifen. Sicherheitshalber. Bevor wir ganz ohne Worte da stehen.

 

Der Tod ist eine solche Sache. Er verunsichert uns. Er macht uns sprachlos. Wir sind dann oft ohne Worte. Er verleitet uns dazu auf diese vermeintlich sicheren Redewendungen zurückzugreifen. Denn was sagt man dazu, dass jemand gestorben ist? Was sagt man denn, um den anderen zu trösten? Wie sage ich denn, dass es mir leid tut?

 

Ich selbst habe viele tröstende Worte gehört damals. Aber auch ein paar verletzende. Ich habe versucht sie nicht zu ernst zu nehmen. Habe sie vielleicht verdrängt. Versucht ihnen nicht zu viel Bedeutung zu geben. Oder versucht zu verstehen, wieso diese Menschen das sagen.

 

„Vielleicht war es besser so.“ ist einer dieser unschönen Sätze. Nein, es ist nicht besser so. Ja, vielleicht hätte meine Mutter im Rollstuhl sitzen müssen, keine Haare mehr gehabt, wir hätten sie pflegen müssen. Aber sie wäre bei uns gewesen. Und sie hätte uns noch ein Stückchen auf unserem Lebensweg begleitet. Und wir sie. Wenn ich selbst so etwas sage, dann ist das vielleicht ok. Aber du kannst mir so etwas doch nicht sagen! Ja, ich verstehe irgendwie was damit gemeint ist, mit diesem „vielleicht war es besser so“. Du suchst vielleicht nach einem Trost für dich. Und versuchst auch mich damit zu trösten. Du glaubst, dass du es damit für mich leichter machst. Weil dieser Gedanke es für dich vielleicht leichter macht.

 

Aber was sind die richtigen Worte? Was hätte sich besser angefühlt? Vielleicht ist es doch eher das ganz gewöhnliche „Herzliches Beileid“. Das fällt nicht auf. Geht fast ein bisschen unter in all den Worten. Oder einfach „Scheiße! Es tut mir total Leid!“. Aber vielleicht sieht das jemand anderes wieder ganz anders. Vielleicht findest du das „Herzliche Beileid“ grauenvoll und hättest gerne den Satz „Vielleicht war es besser so.“ gehört? Vielleicht hätte er sich für dich gut angefühlt?

 

Und genau das sehe, höre und merke ich immer wieder. Wir alle trauern so unterschiedlich. Und oft wissen wir selbst gar nicht genau, was wir wollen, was wir brauchen, was uns in dem Moment gut tut, was wir hören wollen. Oder eben auch nicht.

Daher ist es, sobald wir uns in die Rolle des anderen versetzen oder selbst in der Situation sind, unser Beileid auszusprechen, so unglaublich schwierig die richtigen Worte zu finden. Für uns alle. Immer wieder.

 

Sag Worte!

Tatsache ist: Floskeln und Redewendungen können hilfreich sein. Sie können aber auch genau das Gegenteil bewirken. Jede Situation ist anders. Jeder Mensch ist anders. Jede Jeck is anders. Wir müssen vorsichtiger damit umgehen. Vielleicht einmal kurz nachdenken, bevor wir sie aussprechen.

 

Tatsache ist aber auch: Schlimmer, als jedes noch so schlecht gewählte Wort, ist das „Aus dem Weg gehen“, das „Nichts sagen“, das Schweigen, die Totenstille, das Abwenden, das „Abwesend bleiben“. Das ist wirklich schmerzhaft, verletzt oft noch viel mehr als jedes noch so unglücklich ausgesprochene Wort.

 

Daher: Sei mutig und sag irgendetwas!

Du musst keine Angst haben, dass du mich an die verstorbene Person erinnerst: Ich denke eh fast permanent an sie!

Du musst keine Angst haben, dass du mich traurig machst: Ich bin es sowieso!

Du musst nicht versuchen mich zu trösten: Ich bin eh untröstlich!

Aber bitte sag irgendetwas! Geh mir nicht aus dem Weg! Schau nicht weg, wenn du mich siehst! Spring über deinen eigenen Schatten! Sei mutig! Sag irgendetwas! Sag Worte!

 

Mein Tipp

Sei ehrlich. Sag was mit dir los ist! Sag, dass du nicht weißt, was du sagen sollst. Dass dich die Situation überfordert. Dass du nicht die richtigen Worte findest. Dass sie dir fehlen. Dass du sprachlos bist.

Das ist ehrlich. Das merke ich. Das tut gut! Mir fehlen sie doch auch - die Worte.

 

Eure Tipps

Welche Worte haben sich für euch gut angefühlt? Welche Worte und Gesten haben euch gefreut? Welche haben euch geholfen? Und welche Worte waren vielleicht auch weniger schön? Haben euch verletzt?

 

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